Aktionsplan Ostseeschutz 2030
Potenzialkulisse Nationalpark Ostsee
Die Potenzialkulisse (blau schraffiert) eines möglichen Nationalparks Ostsee. Quelle: MEKUN

Die zweite Jahreshälfte hält für den Landessportverband Schleswig-Holstein (LSV) und den organisierten Wasserssport in unserem Land eine große Herausforderung bereit: Im Koalitionsvertrag der aktuellen Landesregierung wurde ein Prüfauftrag für die Errichtung eines Nationalparks Ostsee verankert. So ist im Koalitionsvertrag für die 20. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtages (2022 bis 2027) folgendes Ziel formuliert:

„Für den Meeresnaturschutz, den Tourismus, die regionale Wirtschaft und die Anwohnerinnen und Anwohner können sich viele Vorteile aus einem schleswig-holsteinischen Meeresnationalpark Ostsee ergeben, der auf bereits bestehenden Schutzgebieten aufbauen und deren Wirksamkeit erheblich stärken könnte. In einem intensiven Konsultationsprozess mit den Ostsee-Anrainerkreisen und -kommunen sowie den relevanten gesellschaftlichen Interessenvertretungen an der Ostsee werden wir einen solchen Nationalpark schleswig-holsteinische Ostsee diskutieren und gegen Mitte der Legislaturperiode in der Koalition darüber entscheiden, ob und in welcher Form wir ihn auf den Weg bringen werden. (…)“

Das Konsultationsverfahren verfolgt das Ziel, zur Mitte der Legislaturperiode der Regierungskoalition eine Empfehlung abzugeben, über ein „ob“ und wenn „ja“ über ein „wie“, also unter welchen Rah­menbedingungen, konkreten Zielvorgaben und genauem Flächenzuschnitt, ein möglicher National­park Ostsee im Küstenbereich der schleswig-holsteinischen Ostseeküste errichtet werden soll.

Der LSV hat sich bereits zu Jahresbeginn mit den Wassersportfachverbänden sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene zu einem Beratungsnetzwerk zusammengefunden, um für den anstehen­den Konsultationsprozess die Aufgaben zu definieren und damit eine angemessene Vertretung des organisierten Wassersports in dem Verfahren zu sichern.

In der Kick-off-Veranstaltung zum Konsultationsverfahren im März dieses Jahres sicherte das Ministerium einen ergebnisoffenen, fairen und transparenten Ablauf zu. In der praktischen Umsetzung musste dann leider bereits sehr früh in Form eines Briefes an Minister Goldschmidt Kritik geübt werden, da das Ministerium anfangs Vorschläge für mögliche Teilnehmende der sieben Fachworkshops (Naturschutz, Fischerei, Wassersport, Tourismus, Landwirtschaft – Wasserwirtschaft – Landnutzung, Anrainerkreise u. -kommunen, regionale Wirtschaft) unberücksichtigt lies und sich bei überzähligen Anmeldezahlen vorbehielt, exklusiv und eigens die Teilnehmendenauswahl vorzunehmen.

Wenngleich anfänglich ein abgestimmtes Regelwerk zum Nationalpark Ostsee ggf. keine oder nur geringe Nutzungsbeschränkungen für den Wassersport beinhalten – und bereits getätigte Aussagen des Ministers und verschiedenste Presseberichte lassen das vermuten  – , besteht für die Zukunft die begründete Befürchtung, dass diese sukzessive folgen werden.

Bestehende Schutzgebiete
Bestehende Schutzgebiet. Quelle: MEKUN

Was gibt Anlass zu dieser Befürchtung?
Zum einen sind dies die Vorgaben aus der Bundesgesetzgebung: das Bundesnaturschutzgesetz schreibt vor, – hier eine verkürzte Übersetzung des §24 Bundesnaturschutzgesetz– dass Nationalparke bereits von Anfang an oder spätestens in etwa 25-30 Jahren (sog. Entwicklungsnationalparks) zu mehr als 50% Flächen aufweisen müssen, die „die Natur Natur sein lassen“ (§24 Abs. 1 Nr.3 und Abs. 2 Satz 1), d.h. durch den Menschen nicht beeinflusst werden … allgemein als NULLNUTZUNGSZONEN bezeichnet!

Das sagt das Gesetz, während das Ministerium derzeit vielfältig mit Aussagen zitiert werden kann, die da lauten, „wir wollen den Wassersport doch gar nicht beschränken“, „die Häfen liegen außerhalb der Potentialkulisse, die Zufahrten bleiben zugänglich und können wie bisher unterhalten werden“, „im Nationalpark soll es auch weiterhin großräumige Möglichkeiten zum Surfen und Kiten geben“ usw.

Aus Sicht des eingangs vorgestellten Netzwerkes ein Widerspruch, der im Übrigen durch die aktuelle Praxis zum Nationalpark Wattenmeer bestätigt wird. Vor einigen Wochen wurde durch den für Bun­deswasserstraßen – Nord- und Ostsee sind Bundeswasserstraßen – zuständigen Bundesverkehrsminis­ter eine neue Befahrensverordnung für den Nationalpark Wattenmeer erlassen, die die wassersport­liche Nutzung weiter einschränkt.

Und hier wird ein weiteres Problem der potentiellen Errichtung des Nationalparks Ostsee deutlich: Die Nutzung von Bundeswasserstraßen wird durch das Bundesverkehrsministerium geregelt und nicht durch ein Landes-Nationalparkgesetz! Schleswig-Holsteins Umweltminister Goldschmidt ist hierfür gar nicht zuständig … und inwieweit sich ein Bundesministerium zukünftig eher der Umsetzung einer Bundesnaturschutzgesetzvorgabe gegenüber „Zusagen“ eines nicht zuständigen Landesministers verpflichtet sieht, wird aus Sicht des organisierten Wassersports sicher nicht Gegenstand von Spekulationen sein, sondern ist eindeutig: Weitere Nutzungseinschränkungen (nicht nur für den Wassersport) werden kommen!

Das Land Schleswig-Holstein getragen von der gesamten Landesregierung, den Sportorganisationen und damit auch durch weite Teile der Bevölkerung befindet sich derzeit mitten im Prozess hin zum Sportland Schleswig-Holstein. Eine Sportstätte in der sportliche Aktivitäten verboten sind, ist ein Widerspruch in sich und wird vom organisierten Sport grundsätzlich abgelehnt.

Der LSV und die Wassersport-Landesfach- und Spitzenverbände nehmen an dem weiteren Konsultationsverfahren teil und werden ihre fachliche Expertise in die Entscheidungsfindung um die Errichtung eines Nationalparks Ostsee mit einer weitüberwiegend kritischen bis ablehnenden Haltung in die Diskussion einbringen. Möge die richtige Entscheidung gefunden werden! Denn die zweifellos in einem schlechten ökologischen Zustand befindliche Ostsee benötigt dringend Lösungen oder Verbesserungen für Probleme wie Sauerstoffarmut bis hin zum vollständigen Fehlen von Sauerstoff („Todeszonen“), übermäßige Nährstoff- und Schadstoffzufuhr von Land, Vermüllung (Geisternetze, Mikroplastik), militärische Altlasten und steigende Wassertemperaturen.